Es war ein Montag, heute vor einem Jahr, und die vergangen 5 Tage des Wartens waren vorüber & überstanden. Heute hatte ich den Termin beim Radiologen. Eine Herzensfreundin begleitete mich. Das sie an meiner Seite war, empfand ich als Segen und war sehr dankbar für ihre Hand. Denn ich war so nervös wie lange nicht. Heute sollte ich endlich Klarheit bekommen, darüber, was in meiner Brust ist. Wir konnten die Zeit des Weges und des Wartens gut mit erzählen überbrücken. Sie beruhigte mich mit sanften Worten und mit unendlicher Hoffnung. Ganz egal, was auch passieren würde.
Wir würden es schaffen!
Ich schickte zig Gebete gen Himmel an meine Mama und bat sie inständig darum, dass ich gesund und dieser Knoten in meiner Brust harmlos sein würde.
Wir saßen einige Zeit im Wartezimmer und die Zeig zog sich gefühlt wie Kaugummi. Endlich kam ich dran & meine Freundin durfte mit hinein ins Behandlungszimmer. Ein jüngerer, nebenbei bemerkt sehr hübscher, Mann macht zuerst einen Ultraschall und stellte mir viele Fragen. Darüber, ob ich in letzter Zeit krank war & Fieber hatte. Oder ob ich mich gestoßen, einen Schlag abbekommen hätte. Er fragte immer kritischer und ich spürte, dass mit jedem Nein, das ich ihm antwortete, die Chancen schwanden, um dass das hier positiv ausgehen würde. Denn mit jedem weiteren Nein wurde sein Gesichtsausdruck besorgter, auch wenn er sich sehr bemüht hat, das nicht zu zeigen.
...
Nach dem Ultraschall setzte ich mich auf, weil er mir erzählen wollte, was jetzt ausgeschlossen werden kann und wie es weiter geht. Ich saß also auf der Liege und schaute ihn erwartungsvoll an. Ich merkte dabei gar nicht, dass ich natürlich immer noch oben ohne da saß. Ihm war es scheinbar etwas unangenehm, sodass er mir sagte, ich könne mich auch vorher ruhig erst anziehen. Ja, natürlich, wie unangenehm. Schmunzeln musste ich trotzdem. Das war ein völlig zerstreuter Verena-Moment.
Eine andere Ärztin kam hinzu und sah sich die Ultraschallbilder an. Auch ihre Sorge schien groß zu sein und sie setzte alles daran, dass ich sofort eine Mammographie gemacht bekomme. Sie wollte keine Zeit verlieren, was mich aufhorchen lies. Es war meine erste Mammographie und sie war gar nicht so unangenehm, wie ich so oft hörte. Dennoch war mir nicht klar, wie sehr eine Brust gequetscht werden kann. Die Mammographie war also geschafft. Die Blicke auf die Bilder sagten nichts Gutes. In meiner Brust war eine Zyste. An dieser Zyste hing aber noch etwas dran. Es war nun ganz sicher ein Tumor. Aber was für eine Art Tumor es war, musste durch eine Gewebeentnahme geprüft werden. Er könnte entweder gut- oder eben bösartig sein. Dass ich ihn Egon nennen würde, wusste ich an diesem Tag auch noch nicht :).
Um Gewebe aus der Brust zu entnehmen, bedarf es einer Stanzbiopsie. Die Menschen, die mich kennen, wissen, dass ich Spritzen verabscheue. Mir kommen sofort die Tränen, sobald ich eine Spritze nur sehe. Ich fühle mich dann wie ein kleines fünfjähriges Mädchen, weine und wäre am liebsten im Arm meiner Mama. Aber meine Freundin war nach wie vor bei mir. Hier zumindest im selben Raum. Die liebe Schwester sprach mit mir, lenkte mich ab und hielt ganz fest meine Hand. Ich bin jedes Mal aufs Neue so dankbar für Ärzte & Schwestern, die so ein großes Herz haben und mit so viel Liebe & Einfühlungsvermögen Patienten behandeln und betreuen.
Zuerst wurde meine Brust betäubt und dann fünf wirklich lange Nadeln in meine Brust geschossen und somit Gewebeproben entnommen. Das geschah mit Hochgeschwindigkeit, wie beim Ohrenlochschießen. So knallte es auch jedes mal sehr laut. Ich durfte nicht zucken, mich nicht bewegen, musste stillhalten. Und ich weinte einfach nur noch. Die Tränen liefen mir übers Gesicht und ich fühlte mich völlig im falschen Film. Passiert das wirklich mir? Ich wünschte mir so sehr die Nähe meiner Mama. Sie würde mir sagen, dass alles wieder gut werden & die mich ganz fest im Arm halten würde. Mir war klar, dass dieser ganze Aufwand nichts Gutes bedeutet. Dass es ernster ist, als ich zu vermuten gewagt hatte. Scheiße. Einfach nur Scheiße. Die Erleichterung, als es überstanden war, war riesig. Und die Anspannung noch sehr viel größer. Jetzt hieß es wieder warten auf das Ergebnis am Mittwoch. Dann habe ich endlich Klarheit.
Meine Freundin & ich setzen uns erst einmal in ein Café in der Nähe, als alles überstanden war. Ich bekam eine heiße Schokolade, die ich mir aber sowas von verdient hatte. Ich musste diesen Schock verdauen - das mussten wir beide. Diese ganzen Erlebnisse mussten erst einmal verarbeitet werden und ich war mir sicher, dass noch einige Tränen folgen würden. Ich hoffte inständig, dass mich am Mittwoch wieder jemand begleiten kann. Denn bei der finalen Diagnose wollte ich definitiv nicht alleine sein. Mir fiel es grundsätzlich schwer zu dieser Zeit, mit mir alleine zu sein. Das Einschlafen machte mir die größte Angst. Angst davor, nicht mehr aufzuwachen. Erst spät nachts und mehr vor Erschöpfung konnte ich endlich einschlafen...
Ich hatte für den heutigen Tag den Wunsch oder auch die Erwartung gehabt, die finale Diagnose zu bekommen. Und ich war enttäuscht, dass dem jetzt nicht so war. Mir steckte gefühlt alles im Hals fest, so viele Tränen. Ich wollte aber auch nicht nur Schwarz sehen und mir alles schlimmer ausmalen, als es vielleicht ist. Und doch beunruhigte mich alles sehr. Die Chancen stehen eben 50/50. Mir war klar, dass mich Angst hier nicht weiterbringt & doch war es einfach krass beängstigend. Ich war froh, dass mein Papa bald zu Besuch bei mir sein würde.
Am Tag zuvor schrieb ich einer anderen Freundin diese Zeilen:
„Am Ende darf man sich doch über jeden Tag freuen, an dem man atmet, gesund ist & lebt. Alles andere ist ein Bonus. Und solange man abends ins Bett geht und sich denkt, dass es ein schöner Tag war, ist alles richtig. Das wurde mir heute so richtig bewusst. Ich möchte nicht irgendwann aufwachen und keine Zeit mehr haben, mein Leben zu leben. Ich möchte dankbar sein, es genießen und strahlen. Es nehmen, wie es kommt. Mich lebendig fühlen. Und ich glaube, wenn man loslässt, kommt alles von ganz alleine. Dann fügt sich alles zu Deinem Besten, egal, was passiert. Die letzten Monate habe ich überwiegend nur vor mich hin gelebt. Ich war eher einfach nur da, als dass ich wirklich gelebt habe. Und heute denke ich mir, was passiert, wenn da wirklich eine schlechte Nachricht kommt. Dann soll es das gewesen sein? Nein! Ich will lebendig sein und endlich wieder leben. Ich glaube, mir fehlt auch genau das. Mein Lachen, mein Lebendigsein, mein Strahlen. Ich will mir nicht mehr über alles Gedanken machen und endlich anfangen, Verantwortung zu übernehmen. Für mich. Und nächstes Jahr gibt es einen Hund. Ich möchte niemals zurück schauen und bereuen, nicht oder wenig gelebt zu haben. Wir haben nur dieses eine Leben und morgen kann schon alles anders sein.“
Und so war es. Den Hund wünsche ich mir übrigens immer noch...
Kommentar schreiben