Heute vor einem Jahr war ich mit einer lieben Herzensfreundin im Kino & haben uns die Eiskönigin 2 angesehen. Wir haben so viel gelacht und auch geweint. Daran kann ich mich noch so gut erinnern. An den wundervollen Film und vor allem seine Botschaft & seine Lieder. Danach hab ich die Playlist des Films hoch & runter gehört. Viele Monate, bis in meine Bestrahlungszeit hinein. In dem Film liegt so viel Kraft & Mut, Stärke & Tapferkeit und so viel Liebe & Leben. Und genau diese Gefühle schwappten vor einem Jahr direkt in mein Herz. Ein Goldsegen! Ich glaube, ich werde morgen gleich mal wieder hineinhören - das hab ich jetzt schon länger nicht mehr.
Als ich mir die Sprachnachrichten von diesen Tagen vor einem Jahr angehört habe, war ich sehr erstaunt über meine Stärke & Zuversicht. Bei jeder Nachricht dachte ich mir heute beim Hören: „Wow, wie hast Du das nur geschafft? So stark zu sein, so zuversichtlich, so ruhig in deiner Stimme, so motiviert & woher hast Du diese Energie genommen?“ Das fragte ich mich auch damals. Ich wusste nicht, woher diese Energie kam, aber ich hatte sie. Ich sprach davon, Bäume ausreisen zu können. Dass es zwar alles viel sei, die ganzen Arzttermine, die Updates an meine Lieben, die etlichen To Do´s bzgl. Versicherung, Bank, Taxischein. Der Behindertenausweis musste beantragt werden. Ich wollte alles noch irgendwie im Dezember schaffen oder angestoßen haben. Denn ich wusste nicht, wie mir die Chemo bekommen würde. Wie es mir gehen würde. Und irgendwie konnte ich die ganze Angst beiseite schieben oder vielmehr an die Hand nehmen. Ich tat und machte, funktionierte und erledigte eins nach dem anderen. Diese Power wünschte ich mir heute zurück - aber ich weiß auch, dass sie Stück für Stück wächst und zu mir zurück kommen wird.
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Meine Onkologin & ich haben die Chemotherapie besprochen. Ich würde drei verschiedene Hauptmedikamente bekommen: Drei aufeinanderfolgende Tage Chemotherapie, dann 2,5 Wochen Pause und wieder von vorne. Das Ganze sechs mal und insgesamt 18 mal Chemomedikamente. Puh. Ganz schön heftig. Am 7. Januar 2020 würde es losgehen. In der neuen Praxis meiner Onkologin, denn die hatte sich ihren Traum einer eigenen Praxis erfüllt. Die Räumlichkeiten wurden renoviert und am 6. Januar feierte sie die Eröffnung. Ich war wirklich froh darüber, denn sie hat so sehr geschwärmt und ich wusste, dass man sich in der Praxis sicherlich wohl fühlen kann. Denn in der jetzigen, alten, Praxis ist es so hektisch und eng. Ich würde ja doch einige viele Stunden im Chemostuhl sitzen und die Medikamente bekommen. Umso wichtiger ist eine angenehme Atmosphäre. Am meisten hab ich mich auf den Therapiehund gefreut, der auch irgendwann kommen sollte. Uh und er kam. Zwar erst, als ich mit der Chemotherapie schon nahezu fertig war, aber ich war verliebt in "Captain". Aber das war schon im April - soweit sind wir jetzt noch nicht.
Wir haben also alles mögliche besprochen, wie das zB mit den Taxifahrten läuft. Dass ich immer zu den Terminen in der Praxis gefahren und auch wieder abgeholt werde. Und glaube mir, das ist so nötig. Ohne einen Fahrdienst hätte ich das nicht geschafft. Denn die Kraft schwindet. Sie hat mir mitgegeben, welche Nebenwirkungen auftreten können. Übelkeit, Erbrechen waren irgendwie meine größte Sorge - ich hasse das. Aber ich würde zum Glück auch dafür Medikamente und eine Tablette bekommen. Bei so vielen Medikamenten kommt es auf diese auch schon nicht mehr an, dachte ich mir. Die Chemotherapie selbst stellte ich mir wie Glitzerwasser vor, das mich von innen heilen lässt und wunderschön schimmert. So ähnlich wie bei Twilight. Das fand ich eine wunderbare Vorstellung und lies mich die Chemotherapie mit anderen Augen sehen. Das machte es irgendwie leichter.
Ich bekam auch ein Rezept für eine Perücke, denn mit dieser Chemo würden mir auf jeden Fall alle Haare, die Wimpern und auch die Augenbrauen ausfallen. Ein krasser Gedanke. Es machte mir weniger Angst, meine Haare zu verlieren. Mich beängstigte eher der Moment, in dem sie es zum ersten mal tun. Wenn ich plötzlich eine Strähne mit Haaren in meinen Händen halte. Ich glaubte, dieser Moment würde Panik in mir auslösen. Aber ich könne mich ja seelisch & moralisch darauf vorbereiten. Und das tat ich irgendwie. Zumindest versuchte ich das. Eine Perücke konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen. Ich wollte nichts verbergen und einfach ich sein. Und ich hätte dann eben für eine gewisse Zeit keine Haare mehr. Sie würden ja auch irgendwann wieder nachwachsen. Es gab keinen Grund, sich dafür zu schämen oder sich zu verstecken. Das kam mir alles falsch vor. Ich wollte das einfach nicht für mich. Ich war gespannt, wie ich mit kurzen Haaren und Glatze aussehen würde.
Auf jeden Fall war ich sehr erleichtert, dass ich eine wunderbare Onkologin an meiner Seite hatte. Sie würde mich von Anfang bis zum Ende begleiten und auch nach Abschluss der ganzen Therapien meine Ansprechpartnerin sein. Ich fühlte mich so sehr gut aufgehoben - sie erinnerte mich sehr an meine Mama. Sehr herzlich und einfühlsam. Und so stark. Ich war bei ihr genau richtig und in den besten Händen.
Freitags am 6. Dezember hatte ich wieder einen Termin in der Kinderwunschpraxis. Wir gingen die Termine für die Spritzen durch. Denn für die bevorstehende Eizellenentnahme musste mein Körper ja erst einmal jede Menge Eizellen produzieren. Und dafür gab es Spritzen. Die musste ich mir täglich selbst in den Bauch spritzen. Ich, die Angst vor Spritzen hatte. Das Universum ist schon wirklich lustig. Aber auch das würde ich irgendwie hinbekommen. Ich musste ja. Aber dennoch hatte ich großen Respekt vor den nächsten Wochen, in denen ich mir täglich eine oder sogar zwei Spritzen geben müsse.
Mich wundert es heute nicht, dass ich Angst hatte, einzuschlafen. Irgendwie muss das alles ja verarbeitet werden. Und das tat ich abends alleine in meinem Bett. Dachte nach, lies alles sacken und auf mich einwirken. Aber ich erzählte einem lieben Herzensmenschen, dass ich mir abends immer vorstelle, wie meine Mama eine Schutzhülle um mich legt und ich so im leuchtenden Schutz von Mama einschlafen kann. Mein Nachtlicht würde sein übriges tun. Ich wollte positiv sein und visualisierte, dass ich sonst vollkommen gesund sei. Nur meine Brust wäre betroffen. Ich glaubte fest daran. Und konnte so wieder wunderbar einschlafen. Der von mir meist gesagte Satz in Sprachnachrichten:
„Wir kriegen das hin!“
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